Zuhören statt zuspammen: Anmerkungen einer enttäuschten Kundin.

Foto: Photocase/vanda lay

Impulskontrolle gehört nicht zu meinen Stärken. Genussfähigkeit dagegen sehr. Folgerichtig war eine meiner ersten  Aktivitäten als Neubürgerin im chicen Size Zero-geprägten Eppendorf vor gut zwei Jahren eine kleine Tour durch die lokalen Fitnessstudios, denn die  Pfunde, sie sollen zumindest straff sein und mit Stolz getragen werden. Unterschrieben habe ich damals bei Fitness First, wo ich heute wahrscheinlich zum letzten Mal hingehe – nicht, weil ich plötzlich um die Alster liefe (schön wärs’s!) oder dreifach verstoffwechselte (noch schöner wär’s!) – sondern einfach, weil der Kundenservice den Namen meiner Meinung nach nicht verdient. Und damit möchte ich gar nicht auf einem einzelnen Unternehmen herumhacken; als pars pro toto eignet es sich dieses Beispiel aber hervorragend für ein Phänomen, das mir immer wieder begegnet und das ich immer weniger verstehen möchte. Ein kurzer Einblick in eine missglückte Kundenbeziehung.

Viel Energie in die Kundengewinnung. Und dann? Macht der Hund drauf.

Fitness First hat mich bereits wenige Wochen nach dem ersten Kontakt als Kundin verloren. Also, im Herzen. Wie bei den meisten Studios gab es interessante Vergünstigungen (austauschbar und auf den zweiten Blick mit diversen *** versehen), Probetraining und eine engagierte Einführung durch einen netten jungen Mitarbeiter. All das vermittelte glaubwürdig: „Hier bist du gut aufgehoben.“ Nur: Sobald der Vertrag einmal unterschrieben war, war ich ein Name auf einem Mail-Verteiler. Was mich so sehr geärgert hat, dass ich so flott die innere Kündigung einreichte: Man bot mir an, erstmal den günstigeren Tagestarif zu nutzen und für zehn Euro weniger abseits der stark frequentierten Abendstunden zu trainieren – „und wenn das doch nicht passt, stellen wir einfach den Vertrag um und du zahlst doch den vollen Tarif.“ Klang gut, passte aber dann doch nicht zu meinem Biorythmus, der eher Nachtigall ist als Lerche. Als ich diese winzige Änderung dann nach ein paar Wochen vornehmen wollte, ging das auch, aaaber mit einer winzigen, vorher nicht kommunizierten Konsequenz: Die Vertragsänderung bedeutete eine Veränderung der Laufzeit von 12 auf 18 Monate. Und dass mir das, warum auch immer, vorenthalten wurde, interessierte niemanden – ich zahlte ungeplant und unwillig 360 Euro mehr durch die Verlängerung und wusste, dass ich mich diesem Unternehmen nicht einen Tag länger als nötig und nur vertraglich verbunden fühlen würde (hätte, hätte, Fahrradkette: Im Nachhinein habe ich mich geärgert, dass ich nicht beim Tagestarif geblieben bin und direkt gekündigt habe. Der Wille zur Körperoptimierung war stärker. Vielleicht aktiviert sich meine Impulskontrolle einfach immer zur falschen Zeit).

Kundenrückgewinnung per Spamalot. „Bitte nehmen Sie Ihre Goodies und sprechen uns nicht an“.

Selbstverständlich läuft die CRM-Maschinerie wie geölt. Mindestens zwei identische „wir möchten Sie als Kundin behalten, Frau Waldhoff“-Mails habe ich in den letzten Wochen erhalten, mit Vergünstigungen, die mir nichts bringen und die erst recht nichts mit dem Grund meiner Kündigung zu tun haben (hey, Fitness First, das lässt sich toppen: Eine mittlerweile nicht mehr existierende Studiokette schrieb mir nach einer Beurlaubung wegen eines längeren Auslandsaufenthalts einen Serienbrief mit dem Tenor „Wir hätten dich ja gern schlank und schön gemacht. Schade, dass du dich gegen unsere Empfehlung für fett und ungesund entschieden hast“).

Wieviel Aufwand würde es eigentlich bedeuten, die Kündiger anzurufen? Wieviel könnte man aus einem fünfminutigen Gespräch lernen? Wie wertschöpfend könnten die Konsequenzen sein, wenn Mitarbeiter besser geschult, Kunden treuer und empfehlungsbereit wären? Wie vertrauensbildend wäre es, einen Beratungsfehler einzugestehen, statt die Kohle zu nehmen und den Kunden rennen zu sehen? Generell habe ich nicht den Eindruck, dass man in dieser Branche an Feedback interessiert ist: So gibt es nirgends eine Möglichkeit, Kurse zu bewerten (in meinem Trainingsfeld ein Standard, der Anbietern, Trainern und Kunden nützt), eine Facebook-Seite, die alle paar Monate beliebigen Marketingkram postet statt aktueller Änderungen, Einblicke in neue Programme uns sonstigen wertigen, spannenden Content (den es massig gäbe)…

Mit „People’s Business“ hat das alles nicht viel zu tun. So viele vergebene Chancen, ich kann’s kaum zählen. Ich bin kein Marketeer und suche erst gar nicht die Studien heraus, die den ROI passender Kommunikationskanäle und -formen im Kundenservice belegen könnten.  Statt dessen wünsche ich mir einfach, dass Unternehmen, die so nah am Kunden arbeiten, nahbarer, lernwilliger und weitblickender agieren.

 

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