Fruchtbar statt furchtbar: Chancen für das Reputationsmanagement in Social Media

Es gibt Themen, die lassen sich sowohl aus der Frosch- als auch aus der Vogelperspektive wunderbar vielfältig betrachten. Reputation Management ist ein solch weites Feld, auf das hundert Experten hundert verschiedene Sichtweisen haben werden – insofern eignet es sich hervorragend für eine Blogparade, die Claudia Hilker initiiert hat und zu der ich gern einen Artikel beitrage.

Gabler definiert Reputationsmanagement schön kurz und passend als „Planung, Aufbau, Pflege, Steuerung und Kontrolle des Rufs einer Organisation gegenüber allen relevanten Stakeholdern“. Alles sehr aktiv und konstruktiv also. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung, insbesondere der Kommunikation von Unternehmen oder Organisationen in Social Media, lag der Fokus beim Thema Reputationsmanagement in den letzten Jahren für meinen Geschmack jedoch viel zu sehr auf „Schutz, Schadensbegrenzung, Bangen und Hoffen auf das Beste“ – also sehr passiv und defensiv. Das ist schade. Denn so professionell und hilfreich es ist, sich ernsthaft VOR dem Launch neuer Kanäle mit möglichen Krisenszenarien, Eskalationsmechanismen und vor allem regelmäßigem Monitoring auseinanderzusetzen und hier Regeln, Prozesse und Zuständigkeiten zu etablieren, so sehr sollten sich alle alle Kommunikatoren über neue Chancen freuen und zielgerichtet darauf hinarbeiten. Auch und gerade, wenn „Märkte durch Gespräche“ bestimmt werden (Cluetrain Manifest), werden abstrakte Markenidentitäten und Value Propositions greifbarer, weil erlebbarer, dennje.

Zwei Beispiele zur Veranschaulichung? Immer gern:

#schluckimdunkeln: Die präpubertären Lümmel von Truefruits

Das schottische Smoothie-Unternehmen True Fruits ist ein Saftladen der besonderen Art. Die wirklich leckeren und apart gestalteten Fläschchen haben sich einen gewissen Kultstatus erarbeitet, was sicher auch auf kreative Namensgebungen wie „Einhornkotze“ (Drachenfrucht und Banane machen einen lustigen rosa Brei) zurückzuführen ist. Im März diesen Jahres schienen sie das Rad jedoch ein wenig zu überdrehen: Mit der Sonderedition „Black Edition“ in der schwarzen Flasche und dem dazugehörigen Hashtag #schluckimdunkeln.

Allein auf Facebook sorgte ein Post mit der Ankündigung und Erläuterung der neuen Sorte (s. Bild) schnell für über 1.500 Kommentare und 170 Shares – Sexismus und Lookismus (musste ich nachschlagen…) lauteten die Haupt-Vorwürfe und beinahe selbstverständlich war schnell von einem Shitstorm die Rede.

Bemerkenswert war meiner Meinung nach die Reaktion des Unternehmens: Anstatt zurückzurudern, sich zu entschuldigen, zu erklären oder was auch sonst die erwartbaren Reaktionen auf eine solch geballte Aufregung sein mögen, legte True Fruits beständig nach. Es gab eine kurze Stellungnahme, eine Erläuterung, welche Kunden man gern hätte und auf welche man verzichten könnte, und schließlich eine Video-Entschuldigung des CEO – als Aprilscherz.

Nichts spricht also dafür, dass hier ungeplant oder ungeschickt agiert wurde – die Provokation war ebenso kalkuliert wie die Reaktion. Wenn der Markenkern along the lines „schnoddrig, frivol, unangepasst, einzigartig bis polarisierend“ lautet: Mission erfüllt. Mit einer klar erlebbaren Haltung und einem Ergebnis an der Supermarktkasse. Ich vermute: Viele der Empörten waren auch vor dem unattraktiven Smoothie nicht besonders affin, während True Fruits viele neue Fans gewonnen hat (dass PEGIDA sie als Bollwerk gegen politische Korrektheit angefreundet hat, kann man ihnen jetzt nicht wirklich zur Last legen). Meins war die ganze Aktion übrigens nicht – insbesondere die Reaktionen auf individuelle Kommentare waren teils wirklich beleidigend und arrogant – aber ganz unabhängig davon habe ich Respekt vor so stringenter Kommunikation und Haltung. True Fruits hat hier aktiv seine Reputation gesteuert und sich nicht steuern lassen.

Nie ungeschützt: Der „Banana-Bunker“ von Groupon

Wenn sie nicht völlig naiv waren (und nichts spricht dafür), hatten die Community-Manager von Groupon eine Vorstellung, was sie bei der Promotion einer ergonomisch geformten (sagt man das so bei Früchten?) Bananen-Vorratsdose erwarten würde. Tatsächlich liefen sowohl Kunden als auch Anbieter zu ganz großer Form auf: Fast jede anzügliche Bemerkung und Frage wurde herrlich trocken im Sinne des Bananenschutzes beantwortet – großes Kino!

Ein relativ „gesichtsloser“ Service, mittlerweile tausendfach kopiert, positioniert sich als Promo-Plattform der Herzen. Selbst ein YouTube-Video, in dem die Mitarbeiter ihre Lieblingskommentare lesen, wurde über 40.000-mal geclickt bislang. Diese Art von Reputationsmanagement sollte wirklich allen relevanten Stakeholdern gefallen haben – neben den begeisterten Kunden sicherlich auch dem Businesskunden bzw. -partner, dessen Banana Bunkers schnell ausverkauft waren.

Was lernen wir daraus? Wenn dir das Leben eine Banane gibt, mach‘ einen Smoothie draus. Oder eben nicht.

 

P.S.: Nein, die flachen Wortwitze kann ich mir nicht verkneifen.

 

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